BEVÖLKERUNG SIBIRIENS

"wunderbar ist die Mischung seiner Völker verschiedenster Abstammung und Erscheinung, die in ihrer Entwicklung so weit voneinander entfernt ist sind…" Das ist eine Bemerkung aus Karamsins "Geschichte des russischen Staates", die Sibirien und besonders Baikal Gebiet betrifft.

Die Eroberung von Sibirien wurde Ende des 16. Jahrhunderts begonnen, 1586 wurde die erste russische Stadt Tjumen gegründet. Der wichtigste Motor der erstaunlich raschen Expansion nach Osten war die Erbeutung von Pelzen. Dabei stützte sich der russische Staat vor allem auf die Kosaken. Schon 1607 war der Jenissej erreicht, 1632 wurde an der Lena die Festung Jakutsk errichtet, 1639 standen die ersten Russischen Trupps am Pazifik und 1645 an der Amurmündung. Etwas langsamer kam die Expansion im Süden, am Steppenrand, voran: 1643 wurde der Baikalsee entdeckt und 1652 bis

1661 die Festung Irkutsk begründet. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts griff die russische Expansion dann auch in den äußersten Nordosten Eurasiens, auf die Halbinseln Tschukotka und Kamtschatka, über. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts hatten die Russen die nichtrussische Bevölkerung Sibiriens zahlenmäßig schon überflügelt. Die ethnischen Gruppen Sibiriens waren mit Ausnahme der islamischen Tataren Anhänger der Schamanenreligion.

Heute leben etwa 30 Millionen Menschen in Sibirien. Gut 20 Prozent der Bevölkerung Russlands sind auf 75 Prozent des Territoriums verteilt. Die Besiedelung erstreckt sich hauptsächlich auf einem Gürtel beiderseits der Transsibirischen Eisenbahn und zu einem geringeren Teil entlang den großen Flüssen. 

* Nur zirka 24 Millionen Einwohner zählt das riesige Sibirien. Das sind bloß 2,7 Einwohner pro Quadratkilometer. Zum Vergleich: In der ungleich kleineren Bundesrepublik leben 82 Millionen Menschen. Hier müssen sich im Schnitt 231 Einwohner einen Quadratkilometer teilen.

Die Bevölkerung Sibiriens besteht zu mehr als 90% aus Russen, Ukrainern und Weißrussen, die im 16. – 17. Jahrhundert als Eroberer, ab 17. Jahrhundert als Jäger und Goldsucher, ab 18. Jahrhundert als Deportierte, ab Ende des 19. Jahrhunderts als Bauern und seit dem Beginn der Industrialisierung als Arbeiter einwanderten. Die Ureinwohner machen etwa 4% der Gesamtbevölkerung aus. Das sind vor allem Chanten, Mansen, Ewenken, Burjaten, Jakuten, Nenzen, Tschuktschen und andere. Doch das ist die offizielle Statistik. In Wirklichkeit aber sind die Einwohner von Sibirien eine multikulturelle Gesellschaft, denn zwischen den Ureinwohnern und den russischen Neuankömmlingen kam es zu einer Vermischung der Gene, Sprachen und Lebensarten. Und unabhängig von der Angehörigkeit zu dem einen oder anderen Volk nennen sich alle stolz "Sibirjak". 

Alle verschiedenartigen Völker von Sibirien halten ihre eigenen Feste, Bräuche und Nationaltrachten ein. Bei orthodoxen Russen, Ukrainern und Weißrussen sind ihre Hauptfeste mit besonderen Bräuchen Neujahr und Weihnachten, der "breite und fröhliche" Fasching mit verschieden Spielen, zurückhaltendes Ostern und sommerliches Pfingsten. Bei Burjaten sind es Saagalgan (Neujahr nach dem Mondkalender) und Suurcharban, bei moslemischen Tataren – der heilige Monat Ramadan… Zum Feiern gehören sowohl Gottesdienste als auch vielfarbiges Feuerwerk, Volksfest, ein Reigen und ein Festmahl mit Nationalküche… Und dieses vielfältige und vielfarbige Volkerleben macht Sibirien zu einem noch mehr attraktiven und nahen Land für all Gäste. 

Manche der Volksgruppen Sibiriens haben nur noch wenige hundert Angehörige. Andere Volksgruppen sind dagegen noch in größerer Zahl zu finden. Zu den sogenannten "Großvölkern" zählt man beispielsweise die Tuwiner, Jakuten, Altaier und Burjaten. Letztere sind mit zirka einer halben Million die größte ethnische Minderheit in Sibirien.

Das ursprünglich aus der Mongolei stammende Volk – Burjaten – ist im Süden des Landes in der Nähe des legendären Baikalsees ansässig und hat viel von der mongolischen Kultur behalten. Einst waren die Burjaten Nomaden, die mit ihrem Vieh und der Hirtenjurte umherzogen, heute sind die meisten von ihnen sesshaft. Ein Großteil lebt in Burjatiens Hauptstadt Ulan-Ude. Viele sind Anhänger des Schamanismus oder der buddhistischen Religion, die im 17. und 18. Jahrhundert aus der Mongolei in diesen Teil Sibiriens gebracht wurde.

Der Name "Burjaten" wird zum ersten Mal in der Geheimen Geschichte der Mongolen (wahrscheinlich 1240) erwähnt. Der russische Staat verleibte sich die Bevölkerung und das Territorium durch Verträge von 1668 und 1728 ein, wodurch die Gebiete auf beiden Seiten des Baikalsees von der Mongolei getrennt wurden. Die burjatische Bevölkerung wuchs von 27.700 in der Mitte des 17. Jahrhunderts auf 300.000 am Anfang des 20. Jahrhunderts an.

Die historische Wurzeln der burjatischen Kultur sind mit denen der Mongolen verwandt. Nachdem Burjatien Russland eingegliedert worden war, wurde es zwei Traditionen ausgesetzt: dem Christentum und dem Buddhismus. Die Burjaten westlich des Baikalsees (Irkutskische Burjaten) wurden "russifiziert" und gaben bald die nomadische Lebensweise zugunsten von Ackerbau auf, wohingegen die östlich lebenden Burjaten (Transbaikalen) den Mongolen näher stehen, oft noch in Jurten leben und meist auch Buddhisten sind. 1741 wurde der lamaistische Zweig des Buddhismus in Russland offiziell als Religion anerkannt, und der erste burjatische Datsan (buddhistisches Kloster) wurde gebaut.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Anfang des 20. Jahrhunderts waren für die burjatischbuddhistische Religion (48 Datsans 1914) eine Periode des Wachstums. Der Buddhismus wurde zu einem bedeutenden Faktor in der kulturellen Entwicklung der Burjaten. Nach der Oktoberrevolution verhielten sich die meisten Lamas der sowjetischen Staatsmacht gegenüber loyal. 1925 begann ein Kampf gegen Religion und Kirche in Burjatien. Die treibende Kraft hierbei war Andrej Smetankin. Nach und nach wurden Datsans geschlossen und die Aktivitäten der Kirche eingeschränkt. Infolgedessen hörte die buddhistische Glaubensgemeinschaft 1930 weitgehend auf zu existieren, und Tausende von kulturellen Schätzen wurden zerstört. Bemühungen, die Organisation des Buddhismus wiederzubeleben, setzten während des Zweiten Weltkrieges ein, woraufhin sie 1946 wieder gegründet wurde. Eine wirkliches Wiederaufleben des Buddhismus fand in den späten 1980er Jahren statt, was sich als wichtiger Faktor der nationalen Einigung und spirituellen Wiedergeburt erwies.